Was bitte ist “bindungsorientiertes Training”?

bindungsorientiertes Hundetraining Bern

Ohaaa! Sie können Sitz! Wie sie das wohl gelernt haben?

Belohnungsbasiert, strafbasiert, bedürfnisorientiert, bindungsorientiert, positiv - ja, was jetzt?

Eine Einordnung. Und mein bedingungsloses Plädoyer für einen respektvollen Umgang mit unseren Hunden.

Strafbasiertes oder aversives Training

Der Hund lernt, was er NICHT tun darf. Dabei wird ihm bei Fehlverhalten bewusst eine Strafe zugefügt, die ihn erschrecken, schmerzen, ängstigen, demütigen, hemmen soll. Dadurch soll er sein Verhalten im Moment aufhörenn und in Zukunft auch nicht mehr zeigen. Das ist ziemlich einfach zu verstehen und umzusetzen.

Praxisbeispiel: einen anderen Hund anbellen

Mit einem Leinenruck, dem Einsatz einer Rütteldose, Wurfdiskette oder Wasserspitzer, mit einem gezielten Tritt in die Niere wird signalisiert, dass dieses Verhalten nicht erwünscht ist. Aus Angst vor der Konsequenz wird der Hund dies in Zukunft (vielleicht) nicht mehr zeigen und er wird sich Strategien überlegen, wie er dem Schmerz entgehen kann. Vielleicht wird er auch einfach aufgeben, gar nichts mehr tun und dadurch schampar brav und wohlerzogen aussehen. Oder er wählt eine andere Strategie.

Das Ganze mit dem Strafen geht aber auch viel subtiler und ist manchmal daher erst auf den zweiten Blick als aversives Training zu erkennen: ein Körperblock da, eine Raumverwaltung hier, eine knackige Korrektur dort. Schau mal genau hin, was du auf Social Media so siehst. Manchmal hilft es, die Videos ohne Ton und in Zeitlupe zu schauen, um die Körpersprache der Hunde genau zu erkennen.

Ich will so nicht mit Hunden - und auch sonst nicht - arbeiten.

Und da gibt es für mich tatsächlich nur einen Weg und das ist die:

Positive oder auch beziehungs-, bindungs- und belohnungsbasierte Arbeit mit Hunden

Hier geht es gerade andersrum. Es wird nicht ein Fehlverhalten mittels Strafe abgestellt, sondern erwünschtes Verhalten wird ermöglicht und durch Belohnungen verstärkt.

Ganz wichtig: Die Begriffe “erwünschtes Verhalten” und “Fehlverhalten” etc werden hier als Begriffe verwendet, um ein Verhalten zu benennen, das eine Reaktion von uns auslöst. Das greift zu kurz und es fehlt die Diskussion, weshalb wir ein Verhalten überhaupt als ein Problem verstehen.

Ebenso wie die Frage, ob wir Hunde überhaupt behaviouristisch trainieren (mitels Konditionierung) sollten oder ob wir nicht vielmehr anders mit unseren Hunden umgehen solltenn und ihnen vielmehr soziales Lernen ermöglichen könnten. Diese Diskussion brennt mir unter den Nägeln und erhält einen eigenen Blogbeitrag.

Erwünschtes Verhalten sehen und verstärken braucht von uns Präsenz und Wissen.

  • Wir müssen uns nämlich überlegen, was der Hund denn ganz konkret tun soll in einer bestimmten Situation. Es reicht nicht, dass er “nicht hochspringen” soll. Was genau soll er denn tun und wie vermitteln wir dies?

  • Wir müssen wissen, wie wir erwünschtes Verhalten belohnen und verstärken.

  • Die Situation muss so gestaltet werden, dass der Hund nur gewinnen kann.

  • Wir müssen Situationen erkennen, die unser Hund noch nicht bewältigen kann und ihn entsprechend unterstützen.

Fragen, die meine Haltung in der Arbeit leiten

  • Wie geht es dem Hund in einer bestimmten Situation?

  • Was sind seine Bedürfnisse? Jetzt und überhaupt?

  • Welche Emotionen könnten hinter dem Verhalten stecken?

  • Was braucht der Hund, um sich anders zu verhalten? Und: Muss er sich überhaupt anders verhalten?

  • Was trage ich als Person mit meinem Verhalten zur Situation bei?

Es ist die Grundhaltung gegenüber dem Wesen Hund, die den Unterschied macht

  • Es ist der Wille, Verhalten verstehen zu wollen und nicht unbedacht mit Training zu manipulieren (egal, wie positiv das Training dabei ist).

  • Es ist die bewusste Entscheidung, als Trainerin minimal invasiv zu arbeiten.

  • Es ist die tägliche Entscheidung, keine Methoden anzuwenden oder Dinge zu verlangen, die dem Tier psychischen oder physischen Schmerz bereiten, die es in Angst versetzen, es in seiner Würde verletzen oder demütigen und in seinem Wesen zerstören.

  • Es ist das Wissen darum, dass unsere Hunde die gleichen Gefühle wie wir haben und sich in gleicher Weise an ihre Bezugspersonen binden.

  • Es ist der ehrliche Respekt gegenüber dem sozialen Lebewesen, das wir in unser Leben geholt haben und für dessen Wohl wir verantwortlich sind.

Im bindungsorientierten Umgang mit Hunden sehen wir uns als Bindunspartner für unsere Hunde und bieten ihnen einen sicheren Hafen und ihre sichere Basis. Eine sichere Bindung entsteht durch

  • das zuverlässige Erfüllen von Bedürfnissen

  • unser Gewährleisten von Sicherheit und Schutz

  • unsere Verlässlichkeit und Berechenbarkeit

Bindungsaufbau, Kreis der Sicherheit. Hund binden sich gleich wie Menschen.

greatJe sicherer unsere Hunde gebunden sind, desto vertrauter, einfacher und reicher wird das Zusammenleben. Was übrigens in keiner Weise heisst, dass wir dann nichts trainieren und dem Hund keine Grenzen setzen dürfen! Nur, weil mich mein Hund mag, verzichtet er nicht auf die coole Jagd auf den Hasen.

Der Punkt ist aber: Egal, was passiert, dein Hund soll immer wissen und darauf vertrauen können, dass du sein sicherer Hafen und seine sichere Basis bist. Er weiss aus Erfahrung, dass du ihm in schwierigen Situationen beistehst. Und er weiss, dass er sich vor dich nicht fürchten muss und du nicht absichtlich Gewalt anwendest und ihm Schmerz zufügst, um ein Verhalten zu erreichen.

With great power comes great responsibility

Nicht nur mit Strafe und Gewalt sondern auch mit positiver Verstärkung, Futter und Markersignalen haben wir enorm potente Instrumente, um unsere Hunde zu trainieren, zu formen und letztendlich zu manipulieren. Dies bringt eine grosse Verantwortung mit sich, der wir uns bewusst sein sollten. Zudem ist unser Bindungsverhalten gegenüber unseren Hunde stark geprägt von unseren eigenen Bindungsmustern. Es könnte also gut passieren, dass die Beziehung zu deinem Hund bei dir den einen oder anderen Persönlichkeitsprozess auslöst. ;-)

Bindungs- und Vertrauensaufbau ist eine Reise, die Zeit, Raum und viele gemeinsame Erlebnisse braucht. Es braucht deine Liebe, deine Empathie und deine Offenheit, dich auf das Wesen und die Persönlichkeit deines Hundes einzulassen.

Bon voyage und bis bald!

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